11.09.2003

Pressemitteilung

Verhandlungen mit Traditionsgemeinschaft beenden

Seit Jahren haben Stadtverwaltung und Evangelische Kirche nunmehr mit der in Iserlohn ansässigen "Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel" über den Wiederaufbau der Garnisonkirche verhandelt. Dabei hat sich die Kirche bemüht, die Garnisonkirche originalgetreu (wenn auch als Billigvariante) nachzubauen und den Symbolgehalt der Garnisonkirche durch Nutzung als Internationales Versöhnungszentrum zu brechen.

Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär hat seit Mitte der neunziger Jahre davor gewarnt, die Garnisonkirche wieder aufzubauen. Allein durch eine Nutzungsänderung ist der Symbolgehalt, den die Garnisonkirche auch heute noch für Rechtskonservative und Rechtsradikale hat, nicht zu brechen. Genau dieser Bruch ist aber Grundvoraussetzung für jeden verantwortbaren Umgang mit dem Gebäude.

In den Verhandlungen gab die Kirche entgegen der Beschlüsse ihrer Synode eine Verhandlungsposition nach der anderen auf. So ist inzwischen weder davon die Rede, ein Nagelkreuz auf die Kirchturmspitze zu setzen, noch davon, den Beatles-Klassiker "All you need is love" als dritte Melodie vom Glockenspiel erklingen zu lassen. Aber selbst diese einseitigen Zugeständnisse der Kirche konnten die Traditionsgemeinschaft bislang nicht zufriedenstellen. Kürzlich brachte die Traditionsgemeinschaft sogar einen Wiederaufbau ohne die Kirche ins Gespräch.

Ausgerechnet die Glockenfreunde aus Iserlohn, deren Vorsitzender Max Klaar in jedem seiner Rundbriefe entweder die deutsche Kriegsschuld am Beginn des 2. Weltkrieges relativierte, Lobreden auf Bismarck verfasste, ein Deutschlands in den Grenzen von 1937 verlangte oder Bundeswehrsoldaten aufforderte, in Uniform zum Glockenspielkonzert zu kommen - ausgerechnet diese Traditionsgemeinschaft verlangt von der Kirche, keine gleich-geschlechtlichen Lebenspartnerschaften zu trauen, keine Kriegsdienstverweigerer zu beraten, keine feministische Theologie zu betreiben und keine Kirchenasyle zu gewähren, um die Garnisonkirche nicht "politisch zu missbrauchen".

Die Traditionsgemeinschaft bezeichnete die von ihr bekämpften Entwicklungen in der modernen Kirche als "Entartungen" und warnte davor, eine "Antigarnisonkirche" zu errichten. Damit bekennt sich die Traditionsgemeinschaft offen dazu, dass es ihr beim Wiederaufbau der Garnisonkirche gerade darum geht, auch deren Symbolgehalt ungebrochen beizubehalten.

Unter diesen Voraussetzungen fordert die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär die Stadtverwaltung und die Evangelische Kirche auf, künftig keine Gespräche mehr mit der Traditionsgemeinschaft zu führen. Wer beim Wiederaufbau der Garnisonkirche keine Notwendigkeit sieht, deren Symbolgehalt zu brechen, hat sich als ernsthafter Verhandlungs-partner vollständig disqualifiziert.

Sollte die Evangelische Kirche sich endlich entschließen, die Idee eines Versöhnungszentrums ohne Rechtsextremisten wie Herrn Klaar weiterzuentwickeln, können wir uns durchaus eine Beteiligung an der inhaltlichen Diskussion vorstellen. Schließlich halten wir das Symbol Garnisonkirche für sehr geeignet, den nötigen Bruch mit der preußischen und faschistischen Geschichte Potsdams auch architektonisch deutlich sichtbar zu vollziehen.